Extremadura

Unendliche Weite, karge Gebirgsketten und aromatische Köstlichkeiten – die Reize des bevölkerungsschwächsten Gebietes der iberischen Halbinsel liegen in seiner Schlichtheit und Ursprünglichkeit. Vor allem Naturliebhaber werden die Extremadura, die seit 1983 als autonome Region anerkannte Gegend im Südwesten Spaniens, schnell ins Herz schließen: Hier weiß man trotz (oder vielleicht gerade wegen) großer Armut das Leben noch zu schätzen und zu pflegen.

Lage und Landschaft

Bei Badajoz

Die Bezeichnung Extremadura stammt aus dem 15. Jahrhundert, der Zeit der „Reconquista“, und beschreibt die abgelegene Lage südlich des Flusses Duero („Extremos del Duero“, zu deutsch „Jenseits des großen Flusses Duero“). Im Westen grenzt die aus den beiden Provinzen Cáceres und Badajoz bestehende Region an die portugiesische Estremadura, was häufig zu Verwechslungen der beiden Gegenden führt. Nördlich der Extremadura verläuft als Grenze zu Kastilien-Léon das Kastillische Scheidegebirge mit Bergen von teilweise mehr als 2.000 Meter Höhe und tiefen Schluchten wie der Jaranda-Schlucht. Der höchste Berg ist im übrigen der Calvitero mit 2.425m. Der Süden, der an Andalusien grenzt, ist ebenso wie der Westen vor allem durch weite Steppenlandschaften und fruchtbare Täler mit Wein- und Olivenanbau geprägt. Hier findet man aufgrund der Dürre viele Dämme und Stauseen. Seltene Vogelarten wie das Purpurhuhn, gemischte Reiherkolonien oder die Rohrweide haben hier ein Zuhause gefunden. In den weiten Ebenen findet man außerdem den Pardelluchs, den iberischen Steinbock, Groß- und Zwergtrappen – ja, sogar Wölfe. Aber nicht nur die Fauna ist beeindruckend, auch die Pflanzenwelt bietet mit der Steineiche (Dehesas), Heide, Myrte, Erdbeerbäumen und Korkeichen (aus denen übrigens auch die Korken für den lokalen Wein hergestellt werden) eine schier endlose Artenvielfalt. Östlich der Extremadura liegt das ehemalige Königreich Toledo: Kastilien-La Mancha. Die größte Stadt der Region ist mit 140.000 Einwohnern nicht die Hauptstadt Mérida, sondern Badajoz. Insgesamt besteht die Region aus 383 kleinen Gemeinden.

Klima

Ebenso vielfältig wie seine Landschaft stellt sich auch das Klima der Extremadura dar. Während der Süden durch eine mediterrane Witterung geprägt ist, herrscht im Norden Kontinentalklima mit deutlich geringeren Temperaturen. Der Osten wird außerdem durch den Atlantik beeinflusst. Ausgenommen der Berggegenden verlaufen die Winter grundsätzlich eher mild und die Sommer trocken. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt zwischen 13 und 18 Grad. Niederschläge gibt es außer im Frühling und Herbst kaum.

Geschichte und Neuzeit

Als erstes Volk eroberten die Kelten vor knapp 3000 Jahren die Gegend um die Flüsse Tajo, Jerte und Tiétar. Zahlreiche durch Ausgrabungen wieder entdeckte Siedlungsreste zeugen von ihrer frühen Anwesenheit in der Region. Später folgten die Katharer und anschließend die Römer, die auch die Hauptstadt Mérida sowie die zweitgrößte Stadt Cáceres begründeten. Unter römischer Herrschaft erblühte das Gebiet zu einem der wichtigsten Handelszentren der damaligen Zeit. Im 8. Jahrhundert fiel die Extremadura, ebenso wie der Rest Spaniens, den aus Nordafrika stammenden Mauren zum Opfer, konnte aber zur Zeit der Reconquista zurückerobert werden. Nach der Entdeckung Spaniens durch Christopher Columbus folgten viele Bewohner der Extremadura dem Ruf der neuen Welt und erlangten durch die Eroberung fremder Reiche Rang und Namen. So wurden unter anderem Hernán Cortes, späterer Zerstörer des Aztekenreiches in Mittelamerika, und der Besetzer des Inkareiches, Francisco Pizarro, hier geboren. Die Gegend wird deshalb heute auch gerne „tierra de conquistadores“ (Land der Eroberer) genannt.

Wirtschaft

Heute gehört die Extremadura neben Andalusien zu den einkommensschwächsten Regionen Spaniens. Zwar konnte sie, dank des EU-Kohäsionsfonds zur Förderung von Projekten im Bereich der Bildung, Wirtschaft und sozialem Schutz, zwischen 1985 und 1999 schneller als andere spanische Regionen an Wirtschaftskraft aufholen – die Arbeitslosenquote liegt allerdings nachwievor bei 16,57%. Hauptwirtschaftszweig sind Dienstleistungen wie der Tourismus, sowie Bau- und Landwirtschaft. Industrie gibt es hier kaum – die meisten Unternehmen sind Klein- und Mittelstandsbetriebe. Größter Hoffnungsträger ist der Tourismus und die damit einhergehende Dienstleistungsbranche. Sie ernährt 57% aller Einwohner und hat in den letzten Jahren ein enormes Wachstumspotential freigesetzt, von dem auch andere Wirtschaftssektoren profitieren. Derzeit wird verstärkt auf dem Gebiet alternativer Energien geforscht. Der Export von Elektrizität aus 30 ortsansässigen Wasserkraftwerken sichert der Extremadura schon heute eine Vorreiterstellung auf dem Energiemarkt.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Puente romano de Mérida

Die Extremadura ist ein sehr ländlich geprägtes Gebiet. Knapp 60 Prozent der Bevölkerung lebt in Gemeinden mit weniger als 10.000 Bürgern. Einfachheit und Schlichtheit wirken sich auch auf den Bildungsstand aus: Jeder neunte Einwohner der Region kann weder lesen noch schreiben. Fremdsprachen wie Englisch oder Deutsch beherrschen die Allerwenigsten. Als Extremadura-Reisender sollte man also zumindest Grundkenntnisse der Amtssprache Spanisch (in manchen Gebieten wird außerdem Portugiesisch oder Fala gesprochen) haben.

Wer sich aber auf die regionalen Begebenheiten einlässt, dem wird sich bald der ganze Charme dieser Region offenbaren: Auf einer Fläche von etwa 41.000 Quadratmetern kommen gerade Mal 1.000.000 Einwohner (nur 54.000 Einwohner hat die Hauptstadt Mérida), aber 54 Naturschutzgebiete – so viele wie nirgendwo sonst in der EU. Rückzug und Konzentration auf das Wesentliche formen das Bild eines Aufenthalts vor Ort. Naturbeobachtung, Wandern und Bergsteigen sind somit die beliebtesten Urlaubsbeschäftigungen.

Aber auch kulturell hat die Region, vor allem durch die antiken Bauten der Römer, einiges zu bieten. Besonders stolz sind die Einwohner auf die Brücke von Alcantará. Die 194 Meter lange und 71 Meter hohe Steinkonstruktion gilt als das bedeutendste erhalten gebliebene Brückenbauwerk der Welt. Auch Cáceres mit seinen Renaissance-Palästen und Trujillo, die Stadt mit den sieben Toren, sind für einen Ausflug zu empfehlen.

Küche

Wer sich gerne kulinarischen Sinnesfreuden widmet, dem sei die Extremadura wärmstens empfohlen. Neben dem Wahrzeichen jamón de pata negra (einem besonders aromatischen, luftgetrockneten Schinken vom schwarzen, iberischem Schwein dem jamón ibérico) zeichnet sich die regionale Küche vor allem durch viele frische Zutaten und Kreativität bei der Zubereitung aus. Von Lamm-, Wild und Fischgerichten über deftige Eintöpfe und Gazpachos bis hin zu klösterlichen Süßspeisen – die „cocina extremeno“ bietet eine unendliche Vielzahl an einfachen, aber erlesenen Köstlichkeiten. Abgerundet mit einem handgemachten Likör oder Wein, und noch so anspruchsvolle Gourmets werden der Region mit Leib und Seele verfallen.

Tourismus

Obwohl ein bedeutender Wirtschaftszweig, ist von Massentourismus (noch?) keine Spur. Neben zahlreichen Hotels, Landhäusern, Ferienwohnungen und Campingplätzen sind vor allem die so genannten „Paradores de Turismo“ in umgebauten Schlössern, Klöstern und Burgen zu empfehlen. Auch für Rucksacktouristen und Querfeldein-Reisende bietet sich die Extremadura durch ihre mannigfaltige Landschaft und ihren kulturellen Reichtum an.

Fazit

Wer Strand, Party oder Rund-um-die-Uhr-Animation sucht, wird in der Extremadura sicher nicht glücklich. Wer jedoch einfach mal abschalten und der Natur (und sich selbst) wieder ein Stück näher rücken will, dem bietet die Region unendliche Möglichkeiten zur Besinnung und Entfaltung.

Bildquellen und -lizenzangabe:

1. Bild (Header): La Serena von javier milara unter der CC

2. Bild: Clouds von Frank Black Noir unter der CC

3. Bild: Puente romano de Mérida von Ángel M. Felicísimo unter der CC

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